Auf Schotterwegen Mallorcas Touristenpfaden entfliehen

In Villafranca hielten wir nochmal auf einen schnellen Kaffee an. Letztendlich war das Gravelfahren doch nichts weiter als eine Ausrede, das beste, was Mallorca zu bieten hat, zu genießen.

Für Jelle Mul hat sich einiges verändert. Seine frühen Erfahrungen mit Mallorca, dem Rennrad-Mekka Europas im Winter, waren geprägt von schnellen Anstiegen im Morgengrauen, Schweiß, der von der Nase tropft und einem Coach, der aus dem Auto brüllt, „Noch fünf Minuten, hopp, hopp, hopp!“, obwohl seine Beine schon vor Anstrengung schmerzten und er seine Atmung kaum noch kontrollieren konnte. Als er vor kurzem, fast zwanzig Jahre nach seinen ersten Besuchen mit dem niederländischen Radteam, zurück auf die Insel kam, war das Tempo deutlich langsamer.

Sein Freund Dennis hatte ihn eingeladen, und zusammen mit dem Ex-Olympiateilnehmer und Cyclocross-Profi Thijs Al hatten die drei auf dieser Reise ganz andere Ambitionen. Wo vorher der Schwerpunkt auf glatten Anstiegen lag, die es von Runde zu Runde schneller zu bewältigen galt, suchten sie diesmal stille abwechslungsreiche Feldweg-Routen, welche die interessantesten Orte Mallorcas (sprich: die besten Lokale und Cafés) miteinander verbinden sollten.

Statt im charakterlosen Hotel in der Stadt wohnten Jelle und seine Fahrradkumpel deshalb in einem schönen Bauernhaus auf dem Land und statt eines Coaches, der sie laut antrieb, vertrauten sie auf einen örtlichen Guide, der ihnen die besten Strecken auf den alten Landstraßen Mallorcas zeigen sollte.

Und schon der erste Tag verlief so, wie sie es sich vorgestellt hatten. Jelle, Thijs, Dennis und der Guide, den sie schon bald nur noch „Legende“ nannten, fuhren über ländliche Schotterpisten und hielten in hübschen Dörfern an, um die kulinarischen Köstlichkeiten der Insel zu probieren und sich eine Pause von der Hitze zu gönnen. Nebenbei sogen sie neugierig alle lokalen und historischen Wissenshäppchen auf, mit denen ihr Guide sie versorgte. Sie nahmen sich auch die Freiheit, völlig flexibel zu sein und einfach mal ein oder zwei Nächte an schönen Orten im Cowboy-Zeltlager zu verbringen…

Zufrieden und lächelnd fuhren wir Richtung Mountuïri und Randa – unseren Etappenzielen für diesen Tag. Ein paar knifflige aber höchst unterhaltsame Abschnitte durch den Pinienwald führten uns an den Fuß des „Randa“, den heiligen Berg Mallorcas. Jeder Hügel im Zentrum Mallorcas besitzt seine eigene Kapelle oder sein eigenes Kloster, aber nur auf dem Berg Randa gibt es gleich drei davon. Im späten Mittelalter lebte hier der Philosoph, Mathematiker und Theologe Ramón Llull als Einsiedler. Die Geschichte besagt, dass er auf dem Gipfel des Berges geistige Offenbarungen erlebt und Kontakt zu Gott aufgenommen hat.

Wir entschieden uns, Ed und seine komfortable Bike-Villa für die Nacht zu verlassen und unser Lager am Kloster aufzuschlagen. Das Restaurant dort oben servierte fantastischen Wein und großartiges Essen, also beschlossen wir ganz einfach, den späten Sonnenuntergang abzuwarten, und uns dann in den Garten zu schleichen. Nach einem tollen Dessert rollten wir dort unsere Schlafsäcke aus und machten es uns bequem für die Nacht. Ob es der Wein war, das gute Essen, der perfekte Tag oder eine Art Offenbarung, ich weiß es nicht. Nach kurze Zeit später haben wir jedenfalls alle tief geschlafen, mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht.

Die Tour war in jeder Hinsicht ein großer Erfolg, vor allem für unsere Freigeister, die gerne Entdeckungen auf zwei Rädern unternehmen. Die ganze Geschichte von Jelle kannst du hier im Soigneur nachlesen.

Wenn du Routen und weitere Inspirationen suchst, schau dir das Profil von Jelle bei komoot an.

Fotos © Jelle Mul