Markus Stitz – Spuren im Schnee

Das Feuer knisterte im Kamin der kleinen Schutzhütte, die ich mir mit vier Bergsteigern teilte. Der Winter war definitiv noch nicht vorbei. Heute Morgen war ich mit meinem voll beladenen Fahrrad später als erwartet in Dunkeld aufgebrochen, hatte es aber kurz vor Sonnenuntergang hierher geschafft. Ein Fuß war nach meiner Durchquerung eines halb-gefrorenen Moorstückes ziemlich nass, was meiner guten Stimmung aber keinen Abbruch tat. Meine neuen Winterstiefel erfüllten ihren Job. Es fühlte sich gut an, hier draussen zu sein – tief verbunden mit der Natur.

Wir verbrachten den Abend um unseren Kochplatz. Unter den Fahrern befanden sich der Micro-Adventure-Pionier Al Humphreys und die Organisatoren der Wild Scotland Conference. Wir unterhielten uns bis in die Nacht hinein bei ein paar Gläsern Rotwein und Whisky, was das frühe Aufstehen am nächsten Morgen ziemlich erschwerte. Die Tourenplanung hatte ich natürlich wieder mal bis zur letzten Minute hinausgeschoben.

Ich bin Markus Stitz, komme ursprünglich aus Deutschland, aber ich fühle mich aktuell in Schottland zu Hause. Diese unberechenbare Wildnis und die unendliche Weite machen mein neues Zuhause zu einem endlosen Spielplatz für Entdeckungen. Die letzten Jahre verbrachte ich mit der Erschließung von Bikepacking-Trails innerhalb des Landes. Auch dadurch fühle ich mich eng verbunden mit Schottland, aber auch mit den Menschen, die hier auf Entdeckungsreise gehen. Die Idee zu dieser Reise entstand, also ich zur Wild Scotland Conference in Dunkeld eingeladen wurde. Dunkeld ist ein ziemlich unbekannter, aber wunderschöner Teil Schottlands, also wollte ich die Zeit zwischen den Konferenzen nutzen, diese tolle Umgebung zu erkunden. Und für mich gibt es keinen besseren Weg, als dies unabhängig und auf eigene Faust mit meinem Rad zu tun.

Zum ersten Mal nutzte ich komoot, um meine Trips zu planen – zuvor folgte ich immer nur einer ungefähren Richtung und ließ mich überraschen, wohin mich mein Weg führte. Obwohl ich auf meinem Gravelbike, dem “Surly Straggler”, unterwegs war, spielte ich ein wenig mit den Funktionen der App. Ich wählte einen Start- und Endpunkt für den ersten und zweiten Tag und ließ mir Strecken für Rennrad, Gravel und Mountainbike vorschlagen. Ich kenne Teile der Gegend recht gut und war begeistert von den Routenvorschlägen die ich von komoot bekam. Das Hin- und Herwechseln zwischen den verschiedenen Kartendarstellungen der komoot-Karte machte die Planung der Route angenehm und einfach. Mit meinen lokalen Kenntnissen änderte ich die Route, wie ich sie wollte, und synchronisierte die endgültige GPX-Datei auf mein Garmin. Nach einer Stunde Planung und einigen Tassen Kaffee war ich auch schon bereit zur Abfahrt.

Ich war sehr gut vorbereitet, mit einer genauen Vorstellung meiner Route – doch das Wetter in Schottland kann man nicht wirklich vorhersagen. Den ganzen Tag begleitete mich ein stürmischer Wind, und am Nachmittag kam dann auch noch ein Schneeschauer dazu. Das Frühstück im “Escape Route” in Pitlochry und der Kaffee im bezaubernden “Struan Inn” hoben allerdings meine Stimmung – vorerst zumindest. Doch leider wehte der Wind genau aus der Richtung, in die ich unterwegs war. Es war nicht mein Mangel an Fitness, der die Fahrt härter als erwartet machte. Das schottische Wetter ist einfach unberechenbar. Immer wieder checkte ich mein GPS-Gerät und das Handy, in der Hoffnung, dass sich meine Richtung irgendwann ändern würde. Dies würde sie auch, aber erst etwa 10 Kilometer vor dem Ende der ersten Tagesetappe. So gab ich schließlich meinen ursprünglichen Plan auf und suchte mir eine Unterkunft, anstatt weiter zu fahren.

Der erste Tag hatte sich bereits als Herausforderung erwiesen, doch die Prognose versprach eine noch größere für den zweiten Tag. Für den Morgen bis in den frühen Nachmittag hinein war starker Regen vorhergesagt, höher oben auch Schneefall. Dieses Mal stimmte die Vorhersage. Ich genoss noch meinen Haferbrei in der gemütlichen, trockenen Unterkunft. Dieser Zustand änderte sich, sobald ich auf das Fahrrad stieg. Auf den bereits eisigen Pfaden sammelte sich schnell Schnee an und ich kämpfte mich durch das Whiteout in Richtung Kinloch Rannoch. Auf dem exponierten Plateau konnte ich kaum aufblicken, fühlte mich aber seltsam lebendig, als ich mich auf den Weg ins nächste Tal machte. Eine Bushaltestelle in Kinloch Rannoch bot eine kurze Zuflucht vor dem Sturm und die Möglichkeit, meinen Plan zu ändern. Nach kurzer Überlegung entschied ich mich jedoch, den von mir geplanten Weg fortzusetzen.

Auf der “Schiehallion Road” wurde der Schnee tiefer. Zur gleichen Zeit im letzten Jahr genoss ich hier bereits die warme März-Sonne, bevor ich einen der markantesten “Munros” (Berge in Schottland, die höher als 3000 Fuß sind und deren Berggipfel eine gewisse Eigenständigkeit aufweisen) bestieg. Diesmal genoss ich die Tatsache, dass nur ein einziges Auto die Reise auf der Straße bisher gemeistert hatte, aber ich mich von meiner Mission nicht stoppen ließ.

Der weiche Schnee verwandelte sich bei meiner Abfahrt dann schnell in Matsch und Regen. Total durchnässt kam ich in der Nähe von Dull zu einem Cafe. Wirklich erstaunlich, welche Kraft man allein aus einer heißen Tasse Kaffee und Essen schöpfen kann. Nach einem weiteren Kaffeestop bei der Wassermühle in Aberfeldy verzog sich endlich die Schlechtwetterfront und schließlich wurde ich von der von mir herbeigesehnten Sonne auf einer schönen Gravelroute hinüber nach Dunkeld begleitet. Nun lag auf dem Weg zwar kein Schnee mehr, doch bald war ich im Schlamm versunken. Dies störte mich aber überhaupt nicht. Ich hatte mein Ziel erreicht: den Bahnhof, wo ich in einen warmen Wagen steigen und die Fahrt zurück nach Edinburgh antreten würde. Trotz des andauernden Kampfes mit der Frage, ob ich weitermachen oder es für einen Tag beenden und dem Komfort erliegen sollte, saß ich in diesem Zug und fühlte, dass ich trotz der Bedingungen eine richtig gute Zeit da draußen hatte und mir mehr denn je eine heiße Dusche und ein warmes Bett verdient hatte.

Über Markus

Markus Stitz ist mit einem Singlespeed-Bike um die Welt gefahren und außerdem der Gründer von Bikepacking Scotland http://bikepackingscotland.com/weekends/

Markus’ Route auf komoot: