Reisen, nur um schöne Landschaften zu sehen und vor allem Nichts zu tun, das wäre nichts für André. Auf seiner einjährigen Reise durch Südamerika stehen für ihn vor allem Begegnungen mit Menschen und Persönlichkeitsentwicklung im Vordergrund. Nach zwei Monaten im Sattel hat er uns aus der Ferne von seinen Erfahrungen und dem Leben auf zwei Rädern erzählt.
Hi André! Von wo schreibst du uns gerade?
Ich schreibe aus Cartagena in Kolumbien. Eine Stadt, in der mir insbesondere der alte Stadtkern aus der Kolonialzeit besonders gut gefällt.
Was machst du in Südamerika?
Ein Jahr lang reise ich mit meinem Rad über den Kontinent. Ende April bin ich in Costa Rica gestartet, Anfang nächsten Jahres möchte ich in Feuerland in Argentinien sein. Für die Route habe ich ein paar Eckpunkte, den Rest lasse ich auf mich zukommen.
Was ist deine Motivation für diese Reise?
Ich wollte mal rauskommen aus dem Alltag, aus dem mir so vertrauten Deutschland und eine mir unbekannte Kultur erfahren. 2009 war ich schon mal länger weg, im eher westlich geprägten Neuseeland. Diesmal ist es mir vor allem wichtig andere Blickwinkel kennenzulernen. Zudem erzeuge ich mit dieser Reise bewusst Aufgaben, denen ich mich stellen möchte um aus dem Umgang mit herausfordernden Situationen meine Persönlichkeit entwickeln zu können.
Wie nimmst du die Kulturunterschiede bisher war? Was hat dich beeindruckt oder überrascht?
Die meisten Menschen hier sind herzlich und offen. Auf Nachfrage ist es meist kein Problem sein Zelt im Garten aufstellen zu dürfen. Doch nicht genug, die Einwohner in Panama und Costa Rica haben uns sogar noch Getränke rausgebracht, zu sich ins Haus eingeladen und uns angeboten das Bad zu nutzen. Darüber bin ich als Radfahrer sehr dankbar und freue mich über die Gastfreundschaft. Dass hier alles etwas entspannter abläuft fühlt sich auch sehr gut an, auch wenn es am Anfang erstmal etwas gewöhnungsbedürftig ist.
Auf der anderen Seite der Medaille habe ich gemerkt, das deutlich weniger Bewusstsein für gewisse Themen vorhanden ist. Ein ganz großes Thema ist der Umgang mit Müll, der ab und an am Strand und dem Meer herumliegt. Beim Einkaufen wird aus Gewohnheit alles in Plastiktüten gepackt, gerne auch doppelt. Und auch wenn man darauf hinweist, dass man keine braucht, wird es nach wenigen Sekunden wieder vergessen. Zudem ist der enorme Konsum von Fleischprodukten auffällig. Nicht selten bekommt man als Vegetarier nur Reis und Salat.
Was war der bisher schönste Moment auf deiner Reise?
Örtlich betrachtet war die Überquerung der Puenta de las Américas auf dem Weg nach Panama City und die Altstadt von Cartagena zwei Highlights. Aber auch das Baden in den kühlen Flüssen, umzäunt vom Dschungel mit Blick auf einem Wasserfall, war ein schönes Erlebnis. Zudem war der Austausch mit einer Hand voll Menschen eine große Bereicherung für mich.
Du reist nur mit dem Rad. Wie und wo schläfst du?
Das entscheidet sich von Tag zu Tag. Einen großen Teil der Zeit zelte ich, ansonsten habe ich schon gute Erfahrungen mit Couchsurfing und Warmshowers gemacht. Ich reise bewusst einfach und mit niedrigem Budget, versuche mich vom materiellen Überfluss der westlichen Welt zu entledigen, meinen Lebensstandard zu reduzieren um so besser auf die essenziellen Bedürfnisse blicken zu können, welche in all dem Überfluss untergehen.
Was hast du dabei?
Zuallererst mein Fahrrad, dass ich selbst zusammengebaut habe, um es auch im Notfall reparieren zu können. Dann ein Zelt, Isomatte, Schlafsack, Kocher, Werkzeug und ein paar Ersatzteile. Bei der Auswahl meiner Funktionsbekleidung habe ich mich anfangs schwer getan, weil solche Outdoorsachen nicht immer die schönsten sind. Letztendlich habe ich mich für ein Zwischending entschieden, also Kleidungsstücke die einigermaßen gut aussehen und trotzdem funktional sind, für warmes und kaltes Wetter. Insgesamt komme ich auf circa 27kg Gepäck.
Reist du alleine?
Lange bevor es losging habe ich in meinem näheren Umfeld herumgefragt, aber niemanden gefunden, bei dem die Art zu reisen und der Zeitraum genau gepasst haben. Also habe ich im Internet nach Mitreisenden gesucht und zwei nette Leute gefunden, deren grundsätzliche Vorstellung mit meiner übereingestimmt haben. Durch eine nur kurze Kennenlernphase besteht natürlich das Risiko, dass es dann auf einer langen und intensiven Reise doch nicht harmoniert. Um dem vorzubeugen, haben wir im Vorfeld eine Probetour gemacht, einmal eine 2-Tagestour um Stuttgart und zum anderen eine längere Tour von Stuttgart nach Hamburg, die wir zeitgleich auch genutzt haben um die Ausrüstung zu testen. Die ersten Wochen war ich mit Paula unterwegs, doch da es nicht harmonierte, war ich dann wieder alleine unterwegs. Seit Mitte Juni reise ich mit Tobias für ein paar Monate.
Ein Jahr ist eine lange Zeit. Wie hast du das beruflich geregelt?
Ich habe Elektrotechnik studiert und arbeite seit knapp drei Jahren als Projektmanager in einem Dienstleistungsunternehmen der Automobilbranche. Als ich letzten Frühjahr den Wunsch nach einer längeren Reise aussprach, hat mich mein damaliger Abteilungsleiter direkt in meiner Vorhaben unterstützt und auch wenn meine Firma mich lieber da gehabt hätten, wurde einer längeren Auszeit stattgegeben. So haben wir uns dann darauf geeinigt, dass ich ein Sabbatical mache und nach der sogenannten Ansparzeit zwölf Monate lang freigestellt bin. Das Gehalt wurde gleichmäßig auf den ganzen Zeitraum, der Spar-und Reise-Phase, aufgeteilt.
Wie entscheidest du, wo du als nächstes hinfährst? Wie planst du deine konkreten Routen?
Wo genau ich als nächstes hinfahre, plane ich meist nur einenTag vorher. Dann überlege ich mir, wie viele Kilometer ich machen kann und will, wieviele Höhenmeter es gibt und, ganz wichtig hier, wie die Straßen beschaffen sind. Manchmal geht es zwar hauptsächlich bergab, trotzdem kann es ewig dauern und das Fahren ist sehr anstrengend, weil die Straße voll ist mit großen Steinen und Löchern. Komoot ist mir dabei eine große Hilfe und hat mir bisher gut geholfen, realistische Strecken zu planen.
Wie vertreibst du dir die Zeit während des Fahrradfahrens?Hauptsächlich beobachte ich meine Umgebung, die jedoch mal mehr und mal weniger spannend ist. Zudem gehen einem natürlich auch viele Gedanken durch den Kopf. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, höre ich Musik, mal zum untermalen der Stimmung, ein andermal zur Motivation, z.B. bei steilen Anstiegen. In den letzten Wochen habe ich auch mehr und mehr verschiedene Podcasts für mich entdeckt. Zum einen informelle mit Hintergrundwissen zu aktuellen Geschehnissen auf der Welt, Reisepodcasts zu Orten und Regionen entlang meines Weges, Sprachtraining um mein Spanisch zu verbessern aber auch Podcasts bei denen man schlicht und einfach unterhalten wird, wie zum Beispiel Sanft und Sorgfältig mit Olli Schulz und Jan Böhmermann. Da muss ich dann doch manchmal laut lachen beim Radeln.
Nun mal ehrlich, wie oft kommst du zu einer Dusche? Hast du deine Hygienestandards verändert?
Verändert hat er sich auf jeden fall, doch grundsätzlich klappt es ganz gut. Klar, geht man ab und an auch mal ungeduscht in den Schlafsack oder muss selbst bei klarem Wetter mit einer kalten Dusche vorlieb nehmen. Da sind Hostels oder Unterkünfte bei den Locals mit warmer Dusche dann immer eine kleine Oase. Das mit dem Bart schneiden ohne elektrischen Barthaar-Trimmer war anfangs etwas schwierig, aber inzwischen hab ich eine Technik mit einem Nassrasierer entwickelt um mir den Bart zu kürzen ohne ihn mir ganz abzurasieren.
Was sind deine Erwartungen für den Rest der Reise? Worauf freust du dich?
Ich möchte vor allem wenig planen und mir keine großen Vorstellungen machen, stattdessen sehen was kommt und flexibel reagieren. Natürlich bin ich gespannt, was diese Reise mit mir machen wird, wie ich sein werde, wenn ich zurückkomme, ob ich anders denke oder mich anders verhalte. Ich bin gespannt auf die Eindrücke und offen für alles, was da kommt. Ich möchte Spaß haben, Menschen kennenlernen, tiefe Gespräche führen. Dafür habe ich extra Spanisch gelernt, um mehr als nur Brötchen bestellen zu können.
Und wo geht’s als nächstes hin?
Zunächst geht es nach Santa Marta, der ersten spanischen Siedlung auf dem südamerikanischen Kontinent. Anschließend geht es nach Medellin und dann radeln wir weiter in Richtung Süden.
Vielen Dank für das nette Gespräch, André. Hab noch eine gute Reise und viele gute und interessante Abenteuer.
Mehr über Andrés Reise erfährst du auf komoot und auf seinem Blog, wo er regelmäßig über seine Erlebnisse berichtet: radrauschen.wordpress.com
Wenn dich auch gerade das Fernweh gepackt hat, mach doch gleich den ersten Schritt und plan deine Tour auf komoot.
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.